Ringmoccatasse
DESIGN: Marguerite Friedlaender-Wildenhain, 1931
Neuinterpretation aus biobasiertem, biologisch abbaubarem Kunststoff
Edition BIOPOLYMER
Ein Meilenstein der Designgeschichte
Die „Ringmokkatasse“ aus Porzellan von Marguerite Friedlaender-Wildenhain wurde als Designstudie 1931 entworfen. Sie entstand im Rahmen des Neubaus und der Ausstattung des Flughafenrestaurants am Airport Halle-Leipzig – einem einzigartigen Gemeinschaftsprojekt aller Werkstätten der Kunstgewerbeschule Halle BURG GIEBICHENSTEIN, wo Marguerite Friedlaender die Keramikausbildung leitete.
Das Set, bestehend aus henkelloser Tasse und ringförmiger Untertasse, basiert auf funktionalen Grundüberlegungen und war vermutlich als „on board“ – Ausstattung gedacht. So wie das Restaurant von Hans Wittwer ein überragendes Zeugnis des Neuen Bauens in Mitteldeutschland war, spiegelt dieses kleine Designobjekt die Grundintentionen des Bauhauses wider: Die Form folgt der Funktion – die Tasse sitzt stabil im Ring und verlangt keine große Balance beim Servieren.
Bauhäuslerin der ersten Stunde
Marguerite Friedlaender-Wildenhain, geboren 1896 bei Lyon, gehörte ab 1919 zur ersten Generation von Schülern des Weimarer Bauhauses. 1925 folgte sie Gerhard Marcks an die Kunstgewerbeschule „Burg Giebichenstein“ nach Halle (Saale), wo sie – die erste Töpfermeisterin Deutschlands – bald die Leitung der Keramik-Werkstatt übernahm. Von 1929 bis zu ihrer erzwungenen Emigration 1933 schuf sie die legendären Entwürfe der „Halleschen Form“ für die Staatliche Porzellanmanufaktur (KPM) in Berlin.
Stilikone der Moderne
Die Pariser Weltausstellung 1937 ehrte Marguerite Friedlaender-Wildenhain mit einer Silbermedaille für ihr Teeservice „Five o’clock“. In Guernville bei San Francisco gründete sie mit der „Pond Farm Pottery“ 1942 eine auf ihren Bauhaus-Erfahrungen basierende Arbeits- und Ausbildungsstätte, die bis zu ihrem Tod 1985 Menschen vieler Nationalitäten anzog und 2014 zum Nationalen Kulturerbe der USA erklärt wurde. Im Museum of Modern Art ist die Künstlerin mit mehreren Arbeiten vertreten.
Wiederentdeckung in Halle und Übersee
Die Ringmokkatasse jedoch blieb weithin unbekannt. Erst ein Foto, wiederentdeckt an der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle (Saale), brachte Professor Hubert Kittel, den damaligen Leiter der Fachrichtung Keramik/ Glasdesign der Burg Giebichenstein, Ende der 1990er Jahre auf deren Spur. Ihm und seinem Team gelang es, diesen genialen Entwurf von 1931 erstmals in einer limitierten Edition zu produzieren. Bei der feierlichen Eröffnung der Landebahn Nord des Flughafens Leipzig-Halle im Jahr 2000 wurden diese Repliken den Ehrengästen überreicht.
Neuinterpretation mit Zukunftswerkstoff
Die Ringmokkatasse wurde mit Blick auf das bevorstehende Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ und anlässlich des in Halle stattfindenden Kongresses „BIOPOLYMER – Processing & Moulding“ im Jahr 2018 neu interpretiert: Die auf 1.000 Exemplare begrenzte „Edition BIOPOLYMER“ entstand aus biobasiertem, biologisch abbaubarem Kunststoff.
Durch die Verknüpfung des zeitlosen, langlebigen Designs Friedlaenders mit dem Zukunftswerkstoff rücken die Initiatoren einen besonderen Aspekt von Nachhaltigkeit ins Blickfeld: den der Vergänglichkeit.
Damit stellen sich die Projektpartner einer existenziellen Herausforderung: Wie kann es gelingen, Kunststoffe für möglichst viele Anwendungsbereiche zu erzeugen, die nach ihrer Nutzung wieder zu Bestandteilen unserer natürlichen Umgebung werden können? Dies ist zugleich Thema des BIOPOLYMER-Kongresses, der 2019 zum zweiten Mal Spritzgießer, Anwender und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland nach Halle (Saale) führen wird.
Die Projektpartner
Die BASF SE stellte für das Projekt ihr Material ecovio® zur Verfügung. ecovio® ist ein biologisch abbaubares und biobasiertes, weltweit zertifiziertes Kunststoff-Compound. Seit 2012 wird es nicht nur für Folien- und Schaumstoffanwendungen, sondern auch als Spritzgussmaterial genutzt. Mit mehr als 15-jähriger Marktpräsenz auf dem Gebiet der zertifiziert kompostierbaren Plastwerkstoffe gehört BASF zu den Vorreitern auf diesem Gebiet.
Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle unterstützte die Edition BIOPOLYMER mit Know-how und Kontakten. Neben einigen Exemplaren der im Jahr 2000 gefertigten Ringmokkatassen stellte Prof. em. Hubert Kittel den Projektpartnern auch das Präsentationskonzept der damaligen Edition zur Verfügung. Die Verpackung entstand, wie bereits im Jahr 2000, in Zusammenarbeit mit der Firma Kurt Bock aus Zeulenroda (Thüringen).
Die Compoundier-Experten der Exipnos GmbH brachten ein selbst entwickeltes Verfahren in das Projekt ein: Direct Compounding Injection Molding (DCIM). Im Gegensatz zur klassischen Verarbeitung können Kunststoffe damit bei niedrigeren Temperaturen und schonender verarbeitet werden – gerade bei Biopolymeren ein entscheidender Vorteil.
Konstruktion und Bau der Werkzeuge lagen in den Händen der Firma Dr. Bryholm Formen- und Werkzeugbau GmbH & Co. KG, Pegau.
Das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) stellte Forschungs- und Entwicklungskapazitäten bereit. Fertigungstests wurden insbesondere am Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ in Schkopau durchgeführt.
Die Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH (IMG) unterstützte die „Edition BIOPOLYMER“ sowohl ideell als auch finanziell. Verknüpft das Projekt doch mehrere Themen, die für das Land identitätsstiftend sind: die Kunststoffindustrie im mitteldeutschen Chemiedreieck, das Erbe der halleschen Kunsthochschule und das Bauhaus, dessen 100. Gründungsjahr 2019 gefeiert wird.
Bei POLYKUM, der Fördergemeinschaft für Polymerentwicklung und Kunststofftechnik in Mitteldeutschland, wurde die Idee für die „Edition BIOPOLYMER“ geboren. Hier liefen auch die Fäden für die Umsetzung zusammen. Anlass war der Kongress BIOPOLYMER 2018 in Halle, der wie das Projekt selbst für das wichtigste Ziel des gemeinnützigen Netzwerks steht: die Förderung des Wissens-, Innovations- und Technologietransfers.