Merseburg, 16.Oktober 2023. Etwa zwei Dutzend Studierende der Martin-Luther-Universität und der Hochschule Merseburg folgten im Fraunhofer-Institut für Werkstoffe und Systeme (IMWS) am halleschen Weinberg-Campus Anfang September gespannt den Ausführungen von Arvind Mehta. Der Chairman des 22.000 Mitglieder zählenden Verbandes der indischen Kunststoffwirtschaft AIPMA beschrieb in seinem Vortrag das atemberaubende Wachstum seiner Branche in den zurückliegenden 30 Jahren. Die Verzwanzigfachung des Bedarfs an Kunststoffen in dieser Zeit habe das heute bevölkerungsreichste Land der Erde in vielen Bereichen, etwa bei Thermoschutzfolien, Kunstharzen oder rotationsgeformten Tanks, zum weltgrößten Produzenten aufsteigen lassen. Doch auch die Kehrseite verschwieg Mehta nicht: „Die Produktion bringt allzu häufig soziale und ökologische Kosten mit sich, die nicht akzeptabel sind“, analysierte der Gründer und Inhaber der 250 Mitarbeiter zählenden Firma Welset in Mumbai: „Dazu zählen lange Arbeitszeiten, schlechte Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung“.
Auswirkungen, denen der Unternehmer persönlich den Kampf angesagt hat. So gründete er vor einigen Jahren unter dem Dach der AIPMA das Arvind Mehta Technology and Entrepreneurship Centre in Mumbai, an dem Fach- und Führungskräfte für die Kunststoffwirtschaft ausgebildet werden. „Moderne Qualifikationen sind die entscheidende Voraussetzung für noch mehr weltmarktfähige Produkte, eine ressourcenschonende Produktion und höhere Erlöse, die wiederum eine bessere Bezahlung und kürzere Arbeitszeiten ermöglichen“, fasste er seine Erfahrungen aus über fünf Jahrzehnten als Unternehmer zusammen. „Außerdem brauchen wir viel mehr umweltfreundliche Produkte.“
Auch dafür war Arvind Mehta an diesem Tag mit seiner Tochter Keshawi in das Mitteldeutsche Chemiedreieck gekommen. „Wir unterzeichnen heute einen Lizenzvertrag mit der Merseburger Exipnos GmbH“, verkündete Keshawi Mehta am Rande der Vortragsveranstaltung. Die von ihr geleitete Firma Keshawin Bio-polymers mit Sitz in Mumbai werde „ab Anfang 2024 bioabbaubare Kunststoffe der von Exipnos entwickelten Marke BioCelain in Lizenz fertigen und insbesondere auf dem indischen Markt vertreiben“, wie die Unternehmerin hinzufügte.
Damit gehört Keshawin Bio-polymers zu den Pionieren auf dem Subkontinent, wie die Unternehmerin in ihrem anschließenden Vortrag im Fraunhofer-Institut deutlich machte. „Während der weltweit noch junge Markt für Biokunststoffe im vergangenen Jahr ein Volumen von 7,5 Milliarden Dollar erreichte, wurde in Indien weniger als ein Zwanzigstel davon umgesetzt“. In den nächsten vier Jahren werde eine Verdreifachung der Biokunststoff-Verkäufe im bevölkerungsreichsten Land der Erde erwartet. „Wir möchten mit BioCelain zu diesem Wachstum beitragen“, zeigte sich Keshawi Mehta entschlossen.
Der Vertrag zwischen dem indischen und dem deutschen Unternehmen ist ein weiteres Resultat der 2020 geschlossenen Kooperation zwischen der All India Plastics Manufacturers‘ Association (AIPMA) und der gemeinnützigen Merseburger Fördergemeinschaft POLYKUM. Ungeachtet der Einschränkungen während der Corona-Pandemie konnte die Zusammenarbeit seither mit Leben erfüllt werden. So wurde Arvind Mehtas Firma Welset ordentliches Mitglied bei POLYKUM. Darüber hinaus gab es einen wachsenden wissenschaftlichen Austausch und wechselseitige Vorträge beider Partner bei wichtigen Tagungen im jeweils anderen Land sowie gemeinsame Messeauftritte. Indien wurde 2021 Partnerland auf dem von POLYKUM ausgerichteten Kongress „BIOPOLYMER – Processing & Moulding“, der seither auf anhaltend breite Resonanz auf dem Subkontinent trifft.