Erfurt, 28. Februar 2024. Neben dem allgemeinen Fachkräftemangel in der Industrie hat die Kunststoffwirtschaft mit einem überwiegend negativen Image des Werkstoffs in der Gesellschaft zu kämpfen. Insbesondere die junge Generation begegnet diesem wichtigen Wirtschaftszweig deshalb mit überdurchschnittlicher Zurückhaltung, teilweise sogar mit Ablehnung. Dieser Befund bildete den Ausgangspunkt für die Vorträge und Diskussionen an diesem Tag, den Thüringens Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Wolfgang Tiefensee, mit seinem Grußwort eröffnete.
Das Format des Dialogforums „Mitteldeutscher Kunststofftag“ entstand vor 15 Jahren als Initiative der Cluster PolymerMat e.V. (Thüringen), POLYKUM e. V. (Sachsen-Anhalt), Kunststoff-Verbund Brandenburg Berlin e.V. (KuVBB), Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH (KUZ, Sachsen) sowie der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB, Cluster Kunststoffe und Chemie). Erklärtes Ziel der diesjährigen Veranstaltung war es, bislang wenig genutzte, positive Kommunikationsansätze zu identifizieren, die den spannenden und gerade unter Umwelt-Gesichtspunkten zukunftsweisenden Wandel in der Branche für die Allgemeinheit sichtbarer werden lässt. So wird, wie die von Reinhard Artus (POLYKUM) moderierte lebhafte Diskussion zeigte, im gesellschaftlichen Diskurs viel zu wenig wahrgenommen, dass innovative Kunststoffe unter anderem moderne medizinische Behandlungen überhaupt erst möglich machten. (Man stelle sich ein Krankenhaus ohne Kunststoffe vor!) Oder dass kunststoffbasierte Leichtbaulösungen etwa im Fahrzeugbau dazu beitragen, jährlich weltweit Millionen Tonnen CO2 einzusparen! Ebenso, dass viele Lebensmittel ohne moderne Kunststoffverpackungen den Weg vom Erzeuger zum Verbraucher schlicht nicht überstehen würden, was einem umwelt- und ernährungspolitischen Desaster gleich käme. Zum anderen seien die Innovationen im Bereich der biobasierten und bioabbaubaren Kunststoffe in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt, wie mehrere Redner und Diskussionsteilnehmer feststellten.
„Wir müssen deutlich machen, dass Umweltverschmutzung menschengemacht, nicht werkstoffgemacht ist“, mahnte Michael Weigelt in seinem Eröffnungsvortrag eine „Entdämonisierung“ von Plastwerkstoffen an. Wenn junge Menschen außer den allgegenwärtigen Bildern von Plastik im Meer gleichzeitig vor Augen hätten, „dass Kunststoff ein Teil der Lösung bei der Erreichung von Klimaschutzzielen“ sei, würden sich nach Überzeugung des Geschäftsführers des TecPart - Verband Technische Kunststoff-Produkte e.V. mehr von ihnen für jene Berufe interessieren, die diese besonderen Werkstoffe möglich machten.
Arbeitsmarktexperten stellten des weiteren moderne Wege zur Fachkräftegewinnung vor und wie Unternehmen, Jobvermittler und staatliche Stellen ihre Kräfte dafür bündeln können. Zum Beispiel, um Auszubildende zu begeistern, Rückkehrer zu gewinnen oder Spezialisten im Ausland zu identifizieren. Mike Thieme vom Kunststoff-Verbund Berlin-Brandenburg (KuVBB) präsentierte mit dem Projekt „Synergetischer Transferraum Lausitz“ ein erfolgreiches Beispiel aus der Praxis. Dr.-Ing. Thomas Wolff, Geschäftsführer der Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH, zeigte in seinem Vortrag, wie innovative Anwendungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) der Kunststoffbranche neue Chancen im Wettlauf um Fachkräfte eröffnen können.
Der abschließende Dialog gab weitere interessante Denkanstöße, die nach der Stadtführung durch das UNESCO-Weltkulturerbe „Jüdisches Leben in Erfurt“ beim Get-together weiter vertieft wurden. Bevor die Tagungsteilnehmer auseinander gingen, gaben die Organisatoren der Partnerverbände bekannt, dass der nächste MKT am 16. Juni 2025 in Halle (Saale) stattfinden und sich dem Thema Biokunststoffe widmen wird.