Herr Dr. Wolff, Sie haben unter anderem an der Entwicklung des Elektroautos i3 mitgearbeitet, mit dem BMW in Sachen Elektromobilität und Leichtbaukarosserien vor einem Jahrzehnt Pionierarbeit leistete. Das Leipziger Werk, in dem der i3 produziert wurde, liegt kaum zehn Kilometer von Ihrem heutigen Arbeitsplatz entfernt. Ein Zufall?
Dr. Wolff: Viele Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des KUZ habe ich verfolgt, die Netzwerkarbeit war damals und ist bis heute eine wichtige Quelle für Innovationen im Automotive Sektor und lag damit auch im Fokus meiner Tätigkeit bei BMW. Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen haben auch Weiterbildungen im Kunststoff-Zentrum besucht. Aber persönlich hatte ich vor meinem Engagement hier noch keinen Kontakt zu dem Unternehmen, das ich seit Januar führe.
Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Dr. Wolff: Zum einen der große Gestaltungsspielraum, mit dem an einem Institut wie dem KUZ Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden können. Die Verantwortung, die die Leitung eines solchen mittelständischen Unternehmens mit knapp 60 Mitarbeitern mit sich bringt, empfinde ich dabei keineswegs als Last – schon gar nicht mit diesem Team, das eine exzellente Expertise auf zahlreichen Fachgebieten vorweisen kann und mich mit seinem Spirit sehr beeindruckt. Als Kunststoffingenieur reizt mich obendrein die Vielfalt der Forschungs- und Tätigkeitsfelder, von der Werkstofftechnik- und -prüfung über Auslegungs- und Qualitätsmethoden und verschiedensten Verarbeitungsverfahren bis hin zu übergreifenden Themenfeldern wie der Mikrotechnik. Dieses Profil möchten wir gezielt weiterentwickeln.
Was ist Ihre Vision für das KUZ?
Dr. Wolff: Die möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Meine Mitarbeiter und ich befinden uns gerade in einer Phase der gemeinsamen Strategieentwicklung. Meine Ideen bringe ich in diese sehr spannende und fruchtbare Diskussion mit ein, möchte dessen Ergebnis aber nicht vorgreifen. In drei Monaten kann ich Ihnen mehr dazu sagen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Kunststoffwirtschaft insgesamt?
Dr. Wolff: Ganz klar in der teilweise negativen öffentlichen Wahrnehmung von Kunststoffen insgesamt und den vielschichtigen Ursachen dafür. Wir – und damit meine ich zuallererst unsere Branche, aber auch die Gesellschaft, die Anwender, die Gesetzgeber und viele mehr – müssen neue, bessere Lösungen finden: für Wertstoffkreisläufe ebenso wie für die Ressourceneffizienz der vielfältigen Prozessketten und Nachhaltigkeit der daraus hervorgehenden Produkte. Hier besteht ein riesiger Forschungs-, Entwicklungs- und Kommunikationsbedarf. Auf der anderen Seite müssen wir als Branche unser Umfeld transparent und offensiver für die einzigartigen Vorteile der Technologie sensibilisieren: Wie würden wir leben ohne Kunststoffe? Die Debatte darüber wird häufig sehr einseitig und mit Scheuklappen geführt. Die Notwendigkeit von Kunststofflösungen wird in der gegenwärtigen Pandemiebekämpfung offensichtlicher denn je. Ohne Kunststoffe wären sterile Spritzen in den nötigen Mengen ebenso wenig denkbar wie Schutzanzüge oder Beatmungsgeräte. Auch das gehört zur Wahrheit – die allzu oft und zu Unrecht ausgeblendet wird.
Wo erwarten Sie in den nächsten Jahren wichtige technische Entwicklungssprünge?
Dr. Wolff: Neben der Nachhaltigkeit, wie eben erwähnt, und dem Leichtbau, der bisher mein wichtigstes Arbeitsfeld war, werden Kunststoffe wohl an den Schnittstellen zu anderen Technologien eine entscheidende Rolle spielen. Ein Beispiel ist die Miniaturisierung der Technik in Verbindung mit elektronischen oder medizinischen Anwendungen. Funktionen werden intelligent integriert und ermöglichen damit neue Sensorik, Optik oder Medizinanwendungen. Kunststoffhersteller und -verarbeiter werden zunehmend zu Sub-Systemanbietern werden, davon bin ich überzeugt.
Das Kunststoffzentrum in Leipzig gehört zu den Gründungsmitgliedern des POLYKUM e.V. Wird sich das Institut auch unter Ihrer Leitung in die Vereinsarbeit einbringen und worin sehen Sie die Aufgabe der Fördergemeinschaft in den nächsten Jahren?
Dr. Wolff: Die Veränderungen, die ich gerade skizziert habe, setzen eine noch stärkere Crossfunktionalität, eine noch engere Verzahnung von Unternehmen der Kunststoffwirtschaft voraus – sowohl untereinander als auch mit Innovatoren anderer Branchen und anderer gesellschaftlicher Bereiche. In diesem Networking ist POLYKUM als Katalysator auch in Zukunft ein wichtiger Faktor. Das beweisen nicht zuletzt attraktive Projekte wie RUBIO, das von POLYKUM initiiert wurde und in den nächsten Jahren 12 Millionen Euro Fördermittel in die Region bringen wird. Wenn die beteiligten Partner, zu denen auch das KUZ gehört, diese Anschubfinanzierung und ihre Potenziale konsequent nutzen, wird auf diese Weise eine komplett neue Wertschöpfungskette für Bio-PBS, einen äußerst vielseitigen biobasierten und bioabbaubaren Kunststoff, in der Region entstehen. So sieht erfolgreicher Strukturwandel aus. Selbstverständlich werden wir uns auch weiterhin aktiv in die Arbeit des Vereins einbringen.