Merseburg, 3. Juni 2021. Werden Kongresse im Juni möglich sein oder nicht? Als die Ungewissheit auch im Februar dieses Jahres kein Ende nahm, traf der dreiköpfige Vorstand des POLYKUM e.V. eine mutige Entscheidung. „Die nochmalige Absage des Kongresses kam für uns nicht in Frage“, berichtet Vereinsvorsitzender Peter Putsch, „denn wir hatten eine lange Liste von Referenten mit spannenden Themen und Teilnehmer der ersten beiden Tagungen erkundigten sich fortlaufend bei uns, wann und wo denn nun der nächste stattfinden würde“. Die offizielle Antwort auf diese Frage lautet seit März: „Am 15. Juni, ab 9 Uhr auf www.biopolymer-germany.de“. Auch wenn seinerzeit noch niemand im Verein sagen konnte, wie das im Detail funktionieren würde.
Kompetente Partner in der Region
Denn was so einfach klingt, bedeutete für das kleine Organisationsteam des Vereins, der keinen hauptamtlichen Mitarbeiterstab hat, den Kongress komplett neu zu planen. „Die erste Herausforderung bestand darin, in kürzester Zeit die richtigen Partner zu finden“, erläutert Inga Timmert, die im Verein die Organisationsleitung für den Kongress übernommen hat, „denn statt Ausstellungshallen und Messebauern brauchten wir nun ein Fernsehstudio und Experten für Livestreams“.
Ersteres fanden die Netzwerker in der Hochschule Merseburg, einem POLYKUM-Mitglied: „Das dortige Medienkompetenzzentrum (MKZ) verfügt über ein professionell ausgestattetes TV-Studio, das für den virtuellen Kongress als Sendezentrale dienen kann“, empfahl Putschs Vorstandskollege Patrick Hirsch, der neben seiner Tätigkeit am halleschen Fraunhofer IMWS auch als Dozent an der Hochschule unterrichtet und den Kontakt herstellte.
Das Streaming, also die Liveübertragung der Daten ins Netz, legte der gemeinnützige Verein in die Hände von Benjamin Behnisch von der Firma Vueworx. Der Berliner hatte zuvor unter anderem Onlinekongresse für medizinische Fachgesellschaften organisiert und kennt die Tücken virtueller Veranstaltungen. Er empfahl den Merseburgern, die geplanten Fachvorträge vorab aufzuzeichnen: „Die Gefahr, dass Referenten aufgrund unzureichender Datenleitungen, defekter Aufnahme- oder Computertechnik bei Livezuschaltungen schlecht bis gar nicht zu hören oder zu sehen sind, wäre sonst unkalkulierbar“, gab er früh zu bedenken.
Interaktive TV-Produktion
Bei dem Online-Kongress handele es sich um eine „dezentral zu realisierende Fernsehproduktion in zwei Sprachen“, fasst Kai Köhler-Terz, Leiter des MKZ an der Merseburger Hochschule, die Herausforderung zusammen. So gelte es, am 15. Juni „zahlreiche Live-Elemente wie etwa Moderationen, die Verleihung der BIOPOLYMER Innovation Awards in unserem Studio oder Diskussionen mit Referenten auf mehreren Kontinenten mit vorproduzierten Fachvorträgen zu verknüpfen“, so der Studioleiter. Darüber hinaus würden alle Inhalte mit Hilfe von Simultandolmetscherinnen sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache bereitgestellt.“
Dass diese komplexe, fast achtstündige „Liveproduktion“ und das erforderliche Marketing dafür ähnliche Kosten verursachen würden wie die vorausgegangenen Veranstaltungen in der Messehalle, wurde dem POLYKUM-Team schnell deutlich. „Allerdings hatten wir uns vorgenommen, die Teilnahmegebühren so niedrig wie möglich zu halten“, verrät Peter Putsch. Einerseits sollte Stammbesuchern so der Umstieg auf das Online-Format „leicht gemacht, aber auch möglichst vielen Teilnehmern aus unserem diesjährigen Schwerpunktland Indien der Zugang ermöglicht werden“, so der Vereinsvorstand. Anfang 2020 hatte der POLYKUM-Chef in Mumbai eine Kooperationsvereinbarung mit der All India Plastics Manufacturer’s Association (AIPMA) geschlossen, einem Branchenverband mit mehr als 22.000 Mitgliedern. „Biologisch abbaubare Kunststoffe werden ab 2022 in Indien insbesondere bei Verpackungen Pflicht“, erläutert Putsch, „das eröffnet sowohl indischen als auch deutschen Unternehmen, die sich mit Biokunststoffen auskennen, enorme Chancen“.
Tickets kostenfrei
Dass die Tickets für den 15. Juni nun sogar kostenfrei abgegeben werden können, ist vor allem einer Ende April geschlossenen Partnerschaft mit Germany Trade & Invest (GTAI) zu verdanken. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik unterstützt neben weiteren Partnern wie der BASF oder der Merseburger Exipnos GmbH „diese zukunftsweisende Form des Wissens- und Know-how-Transfers für eine langfristige und erfolgreiche Industrieentwicklung einer Wirtschaftsregion im Transformationsprozess“, wie Silke Poppe von der GTAI es formuliert. „Innovative Schlüsseltechnologien – wie beispielsweise Biokunststoffe – ebnen Regionen im Strukturwandel den Weg in die Zukunft“, ergänzt die Stabsstellenleiterin Neue Bundesländer/ Strukturwandel. „Sie können beispielsweise ehemalige Kohlegebiete bei ihrem Wandel hin zu Nachhaltigkeit, Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich fördern.“ Der BIOPLOYMER-Kongress sei insofern „eine ideale Plattform, um internationale Kooperationspartner miteinander zu vernetzen.“
2022 in beiden Welten
Das bestätigt auch ein Blick in die aktuelle Anmeldeliste der Tagung. Anderthalb Wochen vor Beginn des Events haben sich bereits rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer registriert. Damit wurde die Zahl gegenüber den bisherigen Präsenzveranstaltungen bereits nahezu verdreifacht. Inder stellen unter den Teilnehmern nach den Deutschen die zweitgrößte Gruppe, aber auch in weiteren EU-Ländern, insbesondere im Biokunststoff-Vorreiterland Italien und den USA ist das Interesse an neuestem Know-how in Sachen kompostierbarer Kunststoffe offenbar groß. „Wir erwarten in den letzten beiden Wochen noch einen deutlichen Zuwachs bei den Registrierungen“, blickt POLYKUM-Chef Peter Putsch voraus, „und 2022 möchten wir mit dem Kongress sowohl in der virtuellen wie auch in der realen Welt Präsenz zeigen“.
Weitere Informationen:
BIOPOLYMER Online-Kongress: www.polykum.de/biopolymer-2021
BIOPOLYMER Innovation Award: www.polykum.de/biopolymer-award